Rassismus in Wörtern
und online in der Broschüre: wenn Rassismus aus Worten spricht, 2014 ZWST (mit Artikel von mir zum kritischen Umgang mit Kinderbüchern)
Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk.
Das 2011 erschiende Buch fasst die aktuellen wissenschaftliche Forschung auch für Laien gut lesbar zusammen. Das Buch hilft zu verstehen, was die Brand-Sätze von Bundeskanzlerin Merkel (Multikulti ist gescheitert), Innenminister Friedrich (der Islam gehört nicht zu Deutschland) und Herrn Sarrazin mit dem schokierenden Anschlag in Norwegen zu tun haben. Unterschiedliche Texte ermöglichen ein umfassenderes Verständnis von Rassismus.
Rassimus? Ja, meistens ist Rassismus gar nicht böse gemeint, und auch nicht absichtlich. Gerade das gut gemeinte – das „kennen lernen wollen“ – das „neugierig sein“ auf „fremde“ Lebenswelten – auch das sind gelernte Muster, die verletzen: Menschen, die als “anders” markiert sind haben gelernt, auf die Frage “wo kommst du her” nicht zu sagen “vom Bäcker”. Schon Kinder lernen mit der immer wieder gestellten Frage, dass sie eben nicht „hierher“ gehören.
Vor allem aber ist Rassimus eine gesellschaftliche Struktur – historisch gewachsen seit dem Kolonialismus – und wir sind durch unseren Alltag darin verstrickt. Wir haben die Zuschreibungen für „Weiße“ und „andere“ ganz nebenbei in unserer Sozialisation gelernt. Und Weiße profitieren. Als weiße Person profitiere ich von rassistischen Privilegien auch ohne aktiv etwas zu tun – z.B: wenn ich eine Wohnung suche profitiere ich davon, dass people of color bei sehr vielen Vermietern keine Chance haben.
Warum ist es so schwer Rassismusreproduktion zu verändern? Ein Beispiel. Beim Lesen von Obamas Buch „eine amerikanische Familie“ ärgerte ich mich über die Verwendung abwertender Wörter wie „Mischling“ und „Farbiger“, sogar das N-Wort. (erste Hilfe für Begriffe: hier). Ich habe beim Hanser Verlag nachgefragt: „Wer hat über die Verwendung der Bezeichnungen entschieden ? Warum haben Sie sich dafür entschieden?“ Die Antwort war leider typisch:
Sehr geehrte Frau Kübler,
dass unser Verlag nicht in einem wie von Ihnen unterstellten Ruf steht, ist gemeinhin bekannt. Ihre böswilligen Verdächtigungen weise ich hiermit scharf zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Martha Bunk, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Schade. Der Carl Hanser Verlag folgt einem Muster, das wir in unserer Arbeit zur Sensilbilisierung für Alltagsrassismus oft antreffen: Ich finde Rassismus nicht gut, also kann ich gar nichts damit zu tun haben. Was ich nicht sehe, das gibt es nicht. Eine sachliche Frage wird als Verdächtigung interpretiert, die Chance dazu zu lernen wird nicht genutzt, die eigene Macht als Verlag nicht gesehen – und Rassismus wird weiter reproduziert. Zu oft gilt die Formel: Rassismus = Hitler, Nazis und Neonazis = ergo wir haben damit nichts zu tun.
Im Buch von Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Hg.) Wie Rassismus aus Wörtern spricht, (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk werden wissenschaftliche Texte erfolgreich ergänzt mit Texten von Sprachkünstern wir Noah Sow oder Philipp Khabo Köpsell.: „Cookie. Engl.: Keks. Bezeichnet in der Schwarzen nordamerikanischen Antirassismusarbeit die Erwartungshaltung weißer Menschen, dafür belohnt zu werden, wenn sie sich gegen Rassismus aussprechen, oder gar eine Anstrengung auf sich nehmen, die Rassismus bekämpft oder aufklärt. (….) Nicht falsch verstehen (sei doch nicht so empfindlich): Es ist okay, was du machst. Du bekommst einfach nur keinen Keks dafür. Noah Sow“. (S. 583)
Annette Kübler, im Martin Niemöller Haus Info, Juni 2011