Herbst im Kopf.
Meine Oma Anni hat Alzheimer
Rezension des Kinderbuches
im Pflegestufe Info
Das Kinderbuch „Meine Füße sind der Rollstuhl“ kenne und schätze ich schon lange: ein Buch zum Thema Behinderung aus der Perspektive des Mädchen Margit, das mit ihrem Rollstuhl einkaufen fährt. Es ermutigt Kinder, miteinander in Kontakt zu gehen – thematisiert auch, wie das „schau nicht hin“ und das „frage nichts“ unserer Erziehung zu Blockaden führt. „Was ist das, ‚behindert‘?“, fragt Anna. „Das ist zum Beispiel, nicht gehen zu können“, sagt Margit. „Wir müssen nicht spazieren gehen, wir können spazieren fahren“, erklärt Sigi und saust mit Margit die Straße hinunter. Die Leute schauen. Doch das macht Margit nichts aus.
Darum war ich voll Hoffnung als ich das Buch „Herbst im Kopf“ entdeckte – und kann es sehr empfehlen: Aus der Perspektive von Paula werden Szenen aus dem Alltag mit ihrer kranken Oma geschildert. Dazu gehören auch Anfeindungen von außen: „Ich finde es gut, dass dieser Herr Alzheimer diese Krankheit entdeckt hat. Denn jetzt weiss ich wenigstens, was ich dem doofen Moritz aus dem Nachbarhaus sagen kann, wenn er wieder behauptet, dass meine Oma nur verrückt ist.“ Paula schildert, dass ihre Oma immer wieder vergisst, wie die Kaffeemaschine funktioniert, sich aber gut an ihre Kindheit erinnern und den Kaffee wie früher mit Filter und Wasserkessel aufbrühen kann. Mit einer tollen Idee erklärt Paulas Mutter ihr, was es mit dem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses bei Demenzerkrankungen auf sich hat. Sie malt mit Paula einen riesigen Baum, der an den Zweigen Bilder aus Oma Annis Leben trägt. Die Bilder an der Spitze wirken viel blasser als die an den unteren Ästen. Wenn im Kopf der Oma der Herbst kommt, fallen die Blätter mit Erinnerungen ab, nur einige bleiben am Baum zurück. Dieses Bild des Baumes ist auch für Erwachsene hilfreich.
Mich hat berührt, wie liebevoll und kompetent Paula mit ihrer Oma umgehen kann, weil sie weiss, dass Unfreundlichkeiten von Oma nichts mit ihr zu tun haben, sondern zur Krankheit gehören. In der Schlussszene weiss Oma nicht, ob sie sich grade Anziehen soll oder Insbettgehzeit ist. Da löst Paula die Situation auf, in dem sie Oma vorschlägt, vor dem Schlafengehen noch ein Bilderbuch anzusehen. Und „Bilderbücher ansehen kann man mit keinem auf der ganzen Welt so gut wie mit meiner Oma.“
Mir gefällt an beiden Büchern, wie sie getragen sind vom liebevollen Miteinander – und dabei weder Alltagsprobleme noch Diskriminierung verschweigen.