Verfassungsrichterin Erna Scheffler
(und Elisabeth Selbert im Parlamentarischen Rat)

….   „Die Geschichte von Erna Scheffler wäre nicht denkbar ohne die Geschichte einer anderen Frau, Elisabeth Selbert. Sie saß, von der SPD berufen, nach Kriegsende im Parlamentarischen Rat und debattierte mit den ihr zahlenmäßig überlegenen Männern ein zukünftiges deutsches Grundgesetz. „Ich hatte geglaubt, dass die Festschreibung der Gleichberechtigung in der Verfassung ganz selbstverständlich sei, nachdem die Frauen soviel geleistet hatten in zwei Weltkriegen“, sagte sie später. Ihre männlichen Kollegen wussten das zunächst zu verhindern. Da reiste Selbert durchs Land und forderte Frauen auf, Briefe an den Parlamentarischen Rat zu schreiben. Waschkörbeweise trafen die dort ein. Am Ende triumphierte Selbert und schrieb fünf Wörter ins Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Was das jetzt aber für ein Widerspruch war! Hier die antiquierten Rechtsvorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dort die moderne Verfassung. Es brauchte jemanden, der die Dinge gerade rücken würde. Es brauchte Erna Scheffler. Die musste jedoch erst mal auf die große Bühne.

Es geschieht in Frankfurt, 1950, beim Deutschen Juristentag. Scheffler hält einen Vortrag zur Gleichberechtigung. Sie greift an, was sie rechtspolitisch für überholt hält. Die Zölibatsklausel zum Beispiel, die besagt, dass Beamtinnen gekündigt werden kann, wenn sie heiraten. Oder das ungleiche Steuerrecht. Sie fordert gleiche Hinterbliebenenversorgung für Mann und Frau, streitet für die Freiheit der Namenswahl bei der Hochzeit, gleichberechtigtes Elternrecht und das identische Mindestalter beim Berufseinstieg.

Scheffler zählt eigentlich nur auf, was ihr selbst widerfahren ist. Sie beeindruckt so sehr, dass sie danach in Karlsruhe vorgeschlagen und gewählt wird. Aus der Frau, die damals die einzige Jurastudentin in Breslau war, wird nun die erste Verfassungsrichterin der Bundesrepublik.“

aus dem Tagesspiegelm 10.4.2019