2015, 2016, 2017:
Begegnungen Schwarzer Menschen und ihrer Familien
aus Deutschland und der Türkei
über ayoco
über die Reisen
Bericht über die Begegnung von 2015 und Einladung zur Mitwirkung bei verschiedenen Vorhaben
Schräge Blicke im Alltag und die Frage „Wo kommst du denn her? Nein, wo kommst du wirklich her“ sind Fragen, die Schwarze Menschen in Berlin, Izmir und Haskey verbinden. Einander kennen zu lernen, Geschichten auszutauschen, Verbindungen zu spüren und gemeinsam stärker zu werden für eine inklusive Gesellschaft – das war Ziel der Begegnung. Mit Liebe und Trauer konnten Aspekte afrikanisch-europäischen-asiatischer Geschichten und Lebensrealitäten spürbar und erlebbar werden.
Die Vorgeschichte:
Die Idee zur Begegnung mit Familien des Vereins der Afro-Türken, der 2006 von Mustafa Olpak in Ayvalik (Nordägäis) gegründet wurde, entstand auf einer Verantaltung im Ballhaus Naunynstraße 2013: ZWANZIG OLIVENBÄUME UND EIN HAUS
Dort erfuhr Katharina Oguntoye von der Gruppe. Annette Kübler brachte ihr ihr Wissen um die Begegnungsstätte Afacan dazu und bald gab es eine Förderzusage von Stiftung Umverteilen. Im Vorfeld studierten wir Berichte, wie hier in qantara über das Kalbsfest, das wir gerne besuchen würden. “Bericht über das Schicksal der Afro-Türken in der Türkei, Außer der Farbe ist nichts geblieben”
Wichtig für Emanzipationsprozesse Schwarzer Menschen in der Türklei war das Buch von Mustafa Olpak 2007: Kratzer im türkischen Geschichtsbild, Die schwarzen Sklaven der Osmanen welches dringend auf Deutsch übersetzt werden müsste – dafür suchen wir eine Finanzierung.
Zur Vorbereitung trafen wir uns zum Kennenlernen und zur Auseinandersetzung mit Schwarzer Geschichte.
Aufgrund des brutalen Anschlags in Ankara am 10.Oktober 2015 und der höchst angespannten Lage in der Türkei mussten leider einge Menschen absagen. Aus Berlin fuhren eine Gruppe von 21 Menschen und trafen 21 Menschen aus Schwarzen türkischen Familien sowie Unterstützende aus dem akademischen Bereich. Dieses Treffen war der Höhepunkt der Reise. Der von exotisierenden Blicken geschützte Raum der Begegnungsstätte Afacan, der tolle Service und die Freundlichkeit der Mitarbeiter_innen trugen maßgeblich zum Gelingen bei und machten auch Regentage erträglich.
Für alle Beteiligten war es berührend, Schwarze Menschen aus dem je anderen Land zu treffen. Vorher freuten wir uns theoretisch darauf – dann war es eine heilsame diasporische Erfahrung, gemeinsam Zeit zu verbringen. Trotz begrenzter Sprachkenntnisse entstand ein herzlicher Kontakt. Alle waren berührt und zugewandt. Es wurde viel fotografiert um den Moment festzuhalten: diese diasporische Begegnung, das Wissen darum –bei aller Diskriminierung und Ausgrenzung im Alltag–, dass wir Teil sind einer großen Gruppe von Menschen, die durch die Geschichte und die Erfahrungen von Leid, Überlebenskraft und Stärke miteinander verbunden ist, war bedeutsam.
Für alle und besonders für Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben, war es besonders, in Urlaub zu fahren, verpflegt zu werden, den Kindern zuzusehen, wie sie zusammen in Pool und Meer spielten.
Ein bedeutender Gelingensfaktor war, dass beide Gruppen altersübergreifend waren und dass sich viele Menschen in Familienzusammenhängen begegneten. Das Teilen von diasporischen Erfahrungen ist stark verbunden mit den Familiengeschichten über verschiedenen Generationen und dem Weitergeben von (Überlebens-) Strategien innerhalb erweiteter Familien. Vor dem Hintergrund der spezifischen Erfahrungen als Schwarze in einem rassistischen Kontext zu leben hat die Begegnung von ganzen Familien eine besondere Bedeutung. Auch die große Altersmischung – incl Babies und alte Menschen war sehr wertvoll.
Die gemeinsame Zeit war gefüllt mit Gesprächen über Erfahrungen und Erlebnisse, wunderbar übersetzt von Gülrenk, einer Unterstützerin, die extra aus Istanbul angereist war und weiteren mehrsprachigen Menschen. Die Gespräche fanden sowohl im Plenum als auch in vielen kleinen Gruppen statt. Sie wurden dokumentiert und werden bei Joliba e.V. aufbewahrt.
Der Einstieg wurde mit einigen lustigen Kennenlernspielen zum Name, zur Sprache etc unterstützt – wobei wir glücklich waren, wie sich Menschen altersübergreifend auf unsere Angebote einließen und viel Spaß hatten.
Unter dem Motto des Gedichts von Nazim Hikmet malte und beschriftete jede Person einen Baum zu eigenen Wurzeln, Stärken und Träumen und wir gestalteten einen gemeinsamen Wald.
Yaşamak bir ağaç gibi tek ve hür,
Ve bir orman gibi kardeşcesine
Bu hasret bizim
Leben einzeln und frei wie ein Baum
Und brüderlich wie ein Wald
Das ist unsere Sehnsucht
In der altersgemischten Gruppe wurde nicht nur gesprochen sondern auf vielfältigen Ebenen kommuniziert. Spiele, kulturelle Sessions mit Musik, Rhythmus, Tanz ergänzten das Programm.
Aufbruchstimmung kennzeichnete die Begegnung aufgrund des erstmaligen Treffens von so vielen Schwarzen Menschen aus Deutschland und der Türkei. Und es gibt so viele Parallelen: So wie sich vor 30 Jahren in Deutschland Schwarze Menschen zusammen fanden und ihre Geschichte sichtbar machten und ihre Erfahrung benannten, so geschieht es aktuell auch in der Türkei. Daher wurden während des Treffens viele Pläne für die Zukunft gesponnen.
Einer davon konnte umgehend umgesetzt werden: das Wiedersehen der Partnergruppe durch einen Besuch im Dorf Haskey. Dort wohnen einige der Familien, andere reisten an, auch die örtliche Presse war geladen. Mit Gesprächen, gemeinsamen Essen, Musik und einem Rundgang durch das Dorf, sowie mit Plänen für die Zukunft verging die Zeit viel zu schnell. Wir hoffen, dass bei einem zukünftigen Besuch ein Dorfaufenthalt möglich sein wird.
Für Oktober 2019 ist wieder ein Besuch in Izmir und Afacan geplant und wir freuen uns darauf schon sehr!
Zukuntspläne sind
* Dokumentation der Erfahrungen und Gespräche der Reise
* Übersetzung von Büchern
* Einladung von Menschen nach Berlin/ Deutschland
* Besuch auf dem Kalbsfest im Mai
* Weitere Begegnung in den Herbstferien 2019
WIr freuen uns über Ihre Unterstützung für unsere Vorhaben – in Form von Spenden, Kontakten, Hinweisen, wer etwas födern könnte und Mitarbeit. Vielen Dank!
(Bericht: Annette Kübler)
Quellen, Literatur, Veröffentlichungen zu Schwarzen Türken
Mustafa Olpak (* 1953 in Ayvalık, Türkei) ist ein afro-türkischer Steinmetz, Buchautor und Aktivist 2006, Olpak founded the first officially recognised organisation of Afro-Turks, the Africans‘ Culture and Solidarity Society (Afrikalılar Kültür ve Dayanışma Derneği) in Ayvalık
ZWANZIG OLIVENBÄUME UND EIN HAUS
Kratzer im türkischen Geschichtsbild, Die schwarzen Sklaven der Osmanen
Das Schicksal der Afro-Türken in der Türkei, Außer der Farbe ist nichts geblieben
Schwarze Türken und die nationale Identität in der Türkei, Alev Deniz
Weiter Infos und links hier: http://www.digplanet.com/wiki/Mustafa_Olpak
Film: Arap Kızı Camdan Bakıyor („The Arab Girl Looks from the Window,“ released in English as Baa Baa Black Girl), Mustafa Olpak, 46′, 2007, Turkey
you tube links:
Afro turkish interview part with english subtitles :
Afro turkish interview full with info but without english subtitles:
Calf festival african Music and dance:
Afro turkish valf festival jazz performans:
und türkisches Buch: Kenya-Girit-İstanbul: Köle Kıyısından İnsan Biyografileri, ein Teil wurde im Ballhaus Naunynstraße mal übersetzt,
Biographie d’une famille d’esclaves : Kenya-Crète-Istanbul, 2006