Ich bin wie ein Baum, meine Klasse ist wie ein Wald
Wir stehen im Kreis, jede und jeder wie ein Baum, wir spüren unsere Wurzeln. Jedes Kind ist wie ein Baum, hat Wurzeln, einen Stamm und Zweige. Wir sprechen darüber, was uns jede und jeden einzeln besonders macht, über unsere Wurzeln, über das was wir gerne machen und über unsere Wünsche und Ziele. Alle malen einen Baum und schreiben oder malen dort, was ihnen wichtig ist. Ein großer Wald entsteht als jedes Kind einen Baum malt. Jedes Kind ist ein Baum im Klassenwald.
Meine Wurzeln (was mir Kraft gibt): meine Familie, meine Freunde, die Natur …
Mein Stamm (was ich gerne mache): rennen, rechnen, singen …
Meine Äste (was ich lernen möchte): schreiben, Naturforscher …
An der Wand hängt ein Gedicht von Nazim Hikmet, im türkischen Original und in der deutschen Übersetzung. Die Verwendung zweier Sprachen hilft beim Verstehen: agaç = Baum, orman = Wald.
Diese Vokabeln erleichtern den Einstieg – auch für Kinder, die kein türkisch können. Eigentlich ist das Gedicht zu abstrakt, einfach vorlesen wäre zu schwer – als Dekoration an der Wand hingegen löst es eine tolle Dynamik aus: Immer wieder weisen Kinder (vor allem türkisch sprechende) andere Kinder auf das Gedicht hin. Sie lesen orman = Wald, agaç = Baum. Sie fragen verwundert uns Trainerinnen, ob wir es geschrieben hätten, ob wir türkisch könnten. Andere suchen nach Parallelen zwischen dem deutschen und dem türkischen Text. Vokabeln werden gelernt: tek = einzeln und hür = frei.
Der Wechsel zwischen den beiden Sprachen, zwischen einzelnen Worten, zum Beispiel „frei“ und „brüderlich“, und die Versuche, zu beschreiben, was dieses „brüderlich“ eigentlich meint – das ermutigte alle Kinder, einsprachige wie mehrsprachige, sich den schwierigen, abstrakten Inhalt des Gedichtes anzueignen.
Einzeln und frei wie ein Baum
und brüderlich wie ein Wald
das ist unsere Sehnsucht
Yasamak bir agaç gibi
tek ve hür
ve bir orman gibi kardesçesine
bu bizim hasretimiz!
„Der Dichter war ein Türke? Wirklich?“ fragt ein Junge in der Abschlussrunde noch mal. Es scheint eine große Bedeutung zu haben. Uns gibt das zu denken. Und wir wünschen uns, dass seine Erstsprache häufiger im Schulkontext wertschätzend vorkommt!
Zum Schluss spielen wir noch gemeinsam und erleben wie gut wir als Klasse schon zusammenarbeiten können!
Projekttage mit Zaklina Mamutovic und Annette Kübler, Fotos und Text A.Kübler
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